Wenn man alle Grundfertigkeiten aufzählen möchte, die ein Kind vor der Einschulung in die erste Klasse erwerben sollte, werden die meisten antworten mit: Lesen und Schreiben. Auch wenn das kaum in Frage gestellt werden kann, sollte darauf hingewiesen werden, dass im heutigen digitalen Zeitalter auch die digitale Kompetenz zu den Grundfertigkeiten von Erstklässler*innen gesehen werden. Diese basiert zwar grundsätzlich auf Lese- und Schreibfähigkeiten, umfasst aber weitere Kompetenzen, die Kinder beherrschen sollten, wenn sie mit der Schule beginnen.
Es ist wichtig, den Begriff der digitalen Kompetenz in seinem ganzen Kontext zu definieren. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass es verschiedene Arbeitsfähigkeiten beinhaltet: von der Arbeit mit Softwaretools für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und sowie die Arbeit mit Fotos, E-Mails, dem Internet und Webbrowsern bis hin zu Anwendungen und Erstellung von Präsentationen und dem Zugang zu Online-Kommunikationskanälen sowie allen anderen praktischen Kenntnissen, die dabei helfen, auf vorhandene digitale Inhalte zuzugreifen und/oder eigene zu erstellen.
In den letzten zehn Jahren wurden mehrere Konzepte erstellt, die einander ersetzen oder auch ergänzen können. Manche davon werden als Synonyme verwendet während andere zwar ähnlich sind, aber sich in ihrer Basis unterscheiden, wie zum Beispiel Informationskompetenz, Computerkompetenz, Bibliothekskompetenz, Medienkompetenz, Netzkompetenz und schließlich digitale Kompetenz (in einigen Texten wird der Begriff digitale Informationskompetenz verwendet). Seit 1990, als die UN-Erklärung ein Zehnjahresprogramm zur Verringerung des Analphabetismus einleitete und gleichzeitig das Interesse an der Frage der Alphabetisierung im Kontext der entstehenden neuen Informationsgesellschaft weckte, hat sich viel verändert.
In den 1990er Jahren wurde der Begriff “digitale Kompetenz” von einer Reihe von Autor*innen als die Fähigkeit bezeichnet, Hypertexte- und Multimediatexte zu lesen und zu verstehen. In diesem Zusammenhang verwendet Richard Lanham (1995) den Begriff als Synonym für “multimedia literacy”. Für ihn bedeutet Alphabetisierung im digitalen Zeitalter die Fähigkeit, Informationen zu verstehen, wie auch immer sie präsentiert werden, und in diesem Sinne beinhaltet digitale Alphabetisierung die Fähigkeit, Bilder, Töne ebenso wie Texte zu entziffern. Für Lanham (1995) ist es von entscheidender Bedeutung, dass es einen Unterschied gibt zwischen gedruckter und digitaler Alphabetisierung (Bawden, 2001, S. 246). Digitale Kompetenzen unterscheiden sich hinsichtlich der Informationsaufnahme und -verarbeitung von der Art und Weise, Informationen zu lesen und zu verstehen, wie Menschen es mit Büchern oder Zeitungen machen. Vereinfacht ausgedrückt liegt der Unterschied digitaler und gedruckter Alphabetisierung in den Medien selbst. Es benötigt andere Kompetenzen, wenn Menschen ein Buch lesen, als wenn Menschen einen Text online lesen.
Die am häufigsten verwendete Definition stammt aus dem Jahr 1989 und definiert Informationskompetenz als die Fähigkeit, ein breites Spektrum zur Verfügung gestellten Informationen effizient zu finden, zu bewerten, zu übertragen und allgemein zu nutzen, was in einer immer komplexeren Informationsumgebung geschieht. Die Definition ist weiter gefasst als die Begriffe der Informations- und der digitalen Kompetenz beschreiben. Diese sind eine Voraussetzung für die erfolgreiche Nutzung von Diensten und Tools, die über Informations- und Kommunikationstechnologien verfügbar sind (ALA, 1989 nach Novkovic Cvetkovic, Stošić & Belousova, 2018, S. 1091)
Paul Glister definierte Informationskompetenz folgendermaßen: Die Fähigkeit, Informationen in verschiedenen Formen aus einem breiten Spektrum von Quellen zu verstehen und zu nutzen, wenn sie über Computer präsentiert werden (Martin 2018, S. 18). Nach Glister gibt es vier Kernkompetenzen der digitalen Kompetenz, die sich gegenüber technologischen Veränderungen nicht verändern: Wissensaufbau, Internetsuche, hypertextuelle Navigation und Inhaltsbewertung (Bawden, 2001, S. 248). Glister geht sogar so weit, digitale Kompetenz als eine “essentielle Lebenskompetenz” zu definieren, fast eine “Überlebenskompetenz”, die man braucht, um sich im digitalen Zeitalter, in dem wir derzeit leben, zurechtzufinden (Martin, 2018, S. 18).
Ein wichtiges Element der digitalen Kompetenz ist die Fähigkeit, die zur Verfügung stehenden Tools verwenden und kritisch hinterfragen zu können. Das bedeutet, ihre Macht zu erkennen und zu nutzen, aber auch alle Gefahren und Schwächen verstehen zu können, die mit diesen Tools einhergehen (Lapat, 2017, S. 50). Glister hebt diesen Teilbereich hervor und sieht ihn als Schlüsselqualifikation, wenn man von digitalen Fähigkeiten spricht (Martin, 2018, S. 18). Aus diesem Grund betrachtet er digitale Kompetenz als eine Lebenskompetenz. Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt beim Zugriff auf und bei der Suche nach digitalen Inhalten, und es ist notwendig, in diesem Bereich kritisches Denken zu entwickeln, um die verschiedenen Informationen, in wichtig und unwichtig trennen zu können. Dabei ist es relevant zu lernen, wie man sicher sucht, da man bei Internetrecherchen auf gefälschte oder nicht verifizierte Inhalte stoßen kann.
Neben der Ermöglichung oder Erleichterung des Zugangs zu Inhalten, der einfacheren Bearbeitung und Verarbeitung von Informationen ist es wichtig bei der Suche, Nutzung und Weitergabe von Inhalten immer auch die ethische Komponente im Auge behalten. Das Surfen in sozialen Netzwerken, das Spielen oder die Nutzung anderer Ressourcen für soziale Aspekte sind nur einige Faktoren der digitalen Kompetenz. Es muss darauf hingewiesen werden, dass digitale Kompetenz auch die Erstellung eigener digitaler Inhalte umfasst, wobei Webseiten nur eine der möglichen Arten von Inhalten sind, die man erstellen kann. In diesem Zusammenhang wird die digitale Kompetenz als ein fortlaufender und dynamischer Prozess betrachtet. Die digitale Kompetenz hängt von den Anforderungen einer einzelnen Person sowie Situation ab. (Martin, 2018, S. 20) Digitale Kompetenz kann sich inhaltlich verändern, was mit den schnellen Veränderungen in der Bildungs- und Technologielandschaft zusammenhängt.
Man kann sagen, dass Alphabetisierung letztlich ein relativer Begriff ist, denn wie bei der traditionellen Alphabetisierung sind auch Medienkompetenz und digitale Kompetenz in Österreich, der Tschechischen Republik, Albanien oder Kroatien nicht dasselbe. Da wir in einer Zeit leben, in der sich das Wissen im Zusammenhang mit der Technologie schnell verändert und weiterentwickelt, müssen wir in gleicher Weise reagieren, um die Entstehung von Unterschieden zu verlangsamen.
Literatur:
Bawden, D. (2001). „Progress in Documentation. Information and Digital Literacies: A Review of Concepts.“ Journal of Documentation. 57(2), S. 218-259.
Lapat, G. (2017). Digitalna pismenost pripadnika romske etničke skupine. Andragoški glasnik 21(1-2), S. 49-57.
Martin, A. (2018). Literacies for the Digital Age: preview of Part I. Digital Literacy for Learning. Facet. S. 3-25.
Novković Cvetković B., Lazar S. & Belousova, A. (2018). „Media and Information Literacy – the Basis of Applying Digital Technologies in Teaching from the Discourse od Educational Needs of Teachers.“ Croatian Journal of Education. 20(4), S. 1089-1114.