Inklusion

Autor*innen: Christa Markom, Jelena Tošić, Magdalena Steger
Tags: Digitale Inklusion

In der heutigen Gesellschaft werden Menschen oft diskriminiert, weil sie nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechend aussehen oder sich verhalten. Alles, was nicht der vermeintlichen „Norm” entspricht, wird als (zu) anders angesehen und oft mit negativen Eigenschaften assoziiert. Paniagua nennt das den “Mythos des normalen Kindes”. (Paniagua, 2017) Dieser impliziert, dass es nur eine richtige Art und Weise gibt, wie Kinder handeln und sich verhalten sollten. Dies führt oft zu Missverständnissen, die sich unter anderem in Sprachproblemen manifestieren können, da es Schüler*innen gibt, die eine andere Erstsprache sprechen. Einige Lehrer*innen halten das für Lernprobleme und bezeichnen die Schüler als „faul”. Paniagua verwendet für den Zusammenhang von Sprache und Integration das Akronym LCSD (Linguistically, Culturally, and Socioeconomically Diverse1) Damit meint er nicht nur Menschen mit physischen und psychischen Herausforderungen, sondern auch Angehörige ethnischer Minderheiten (deren Erstsprache sich von der im Land des Wohnsitzes gesprochenen Sprache unterscheidet) und Menschen aus einkommensschwachen Haushalten. In seinem Artikel legt er nahe, dass die Art und Weise, wie Menschen auf Vielfalt reagieren oft durch ihren Habitus bestimmt wird. (Paniagua, 2017) 

Lang-Wojtasik & Schieferdecker verwenden eine weit gefasste Definition von Inklusion. Sie definieren Inklusion als das Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft, unabhängig von einem zugeschriebenen oder offiziellen Status. Nach dieser Definition sollte jeder die Hilfe erhalten, die er braucht, um im Leben voranzukommen. Im Fokus steht der Ansatz, dass sich nicht die Person an die Gesellschaft anpassen muss, sondern die Gesellschaft an die Person. Hier bezieht sich Inklusion auf die uneingeschränkte Teilhabe an allen Aspekten der Gesellschaft, unabhängig von der individuellen Situation. (Lang-Wojtasik & Schieferdecker, 2016, S. 78-80)  

Naraian (2011) geht darüber hinaus und definiert Inklusion als den Versuch, einen Rahmen zu schaffen, in dem alle die gleichen Leistungen erbringen können. Bei dieser Definition liegt der Schwerpunkt auf dem Erreichen des gleichen Ergebnisses und nicht auf dem Erhalt der gleichen Bildung. Der zentrale Aspekt ist hier die Teilhabe aller Schüler*innen, die durch vielfältige Lehrpläne und andere Bildungsstrukturen gewährleistet werden sollte. Die unterschiedlichen soziokulturellen Hintergründe der Schüler*innen sollen auf diese Weise berücksichtigt werden (Ethnizität, Geschlecht, psychische und physische Herausforderungen, Mehrsprachigkeit, Migration, Sexualität, Familie, Religion, Weltgestaltung, Alter). (Naraian, 2011)  

Saalfrank & Zierer definieren Inklusion auch als Teilhabe an Bildung und Wissen in einem breiteren Sinne. Sie heben drei Möglichkeiten hervor, mit denen Inklusion definiert werden kann: Die Rollentheorie im Allgemeinen, sowie die Kommunikationstheorie und im Besonderen die Netzwerktheorie. Hier werden Diversität und Heterogenität als zwei weitere wichtige Konzepte für das Verständnis und die Definition von Inklusion genannt. (Saalfrank & Zierer, 2017)  

Eine weitere Möglichkeit, Inklusion zu definieren, besteht darin, sie begrifflich von anderen Begriffen wie Exklusion, Separation, Integration und Assimilation abzugrenzen.  

Inklusion kann auch im Sinne von Grenz- und Entgrenzungsarbeit verstanden werden. Inklusiv zu denken bedeutet, Inklusion relativ und relational zu denken, da Inklusion immer Formen der Exklusion impliziert und durch diese konstituiert wird. Dies kennzeichnet jede Situation, in der eine Trennung angestrebt wird und eine Grenze zwischen Innen und Außen gezogen wird. Diese Grenzen können und müssen kritisch hinterfragt werden. (Nguyen, 2015) 

Inklusion wird in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie den Medien, der Politik und natürlich ganz besonders im Kontext der Bildung verhandelt, und zwar auf verschiedenen Ebenen wie der globalen, nationalen und lokalen. Die Frage der Macht spielt eine wichtige Rolle in den Diskursen und Praktiken der Inklusion. Bei der Erforschung von Macht und Governance wird auch die Frage aufgeworfen, ob (digitale) Inklusion ein Menschenrecht sein sollte. (Nguyen, 2015)

Laut Nguyen (2015) wird die Diskussion über Inklusion und Exklusion stark durch die Regierungspolitik strukturiert, da diese die Grundlage für die rechtlichen und normativen Gesetze für den Rahmen, die Regulierung und die Legitimierung von Inklusion in der Gesellschaft bildet. (Nguyen, 2015) 

Das Problem dabei ist, dass innerhalb der Normen und Gesetze die Stimmen der besonders betroffenen Personen und Gemeinschaften nicht berücksichtigt werden. Eine Antwort auf dieses Problem ist das von Naraian hervorgehobene Konzept der „Stimme” als Instrument zur Gewährleistung der Beteiligung in inklusiven Gemeinschaften. Wenn Menschen die Möglichkeit haben, ihre Stimme zu erheben und über ihre Wünsche und Bedürfnisse zu sprechen, kann dies zu einer stärkeren Beteiligung an der Gesellschaft führen und diese fördern. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Stimmen tatsächlich gehört werden. (Naraian, 2011) Ein weiteres Forschungsbeispiel, das mit dem Begriff der „Stimme” arbeitet, sind zwei Projekte im Vereinigten Königreich, die darauf abzielen, die Diskriminierung der GRT-Gemeinschaft (Gypsy, Roma und Traveller) zu verringern. Hier wird das Konzept der Stimme auch verwendet, um zu zeigen, wie Kinder zur Gestaltung des Unterrichts beitragen können. (Brook Lapping Productions, 2006) 

Literatur:  

Brook Lapping Productions (Regisseur). (2006). Inclusion [Film].

Lang-Wojtasik, G., & Schieferdecker, R. (2016). Von der Inklusion zur Heterogenität und wieder zurück. Grundlegende Begriffe und Zusammenhänge mit schultheoretischem Anspruch. In G. Lang-Wojtasik, K. Kansteiner, & J. Stratmann, Gemeinschaftsschule als pädagogische und gesellschaftliche Herausforderung. Münster: Waxmann.

Naraian, S. (2011). Pedagogic Voicing: The Struggle for Participation in an Inclusive Classroom. Anthropology & Education Quarterly, S. 245-262. 

Nguyen, X. T. (2015). The journey to inclusion. Rotterdam: Sense Publishers.

Paniagua, A. (2017). The Intersection of Cultural Diversity and Special Education in Catalonia: The Subtle Production of Exclusion through Classroom Routines. Anthropology & Education Quarterly, S. 141-158.

Saalfrank, W.-T., & Zierer, K. (2017). Inklusion. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh.