Autor*innen: Thomas Köhler
Tags: Digitalisierung, Digitale Kompetenz, Digitale Weltgestaltung, Digitale Inklusion
Der Grundgedanke der „Theorie des digitalen Lernens” (Köhler, 2021) ist, dass die Interaktion zwischen unterschiedlichen Akteur*innen im Bildungskontext, mit realen Personen als auch mit deren digitalen Repräsentationen geschehen kann. Zentral ist dabei die Fokussierung auf Lehrende und Lernende. Die Theorie geht davon aus, dass es auf der ersten Ebene der Digitalisierung datenbasierte Repräsentationen der Bildungsakteur*innen, d.h. der Lehrenden und Lernenden, gibt. Ein Beispiel dafür wäre ein Zoom-Meeting, das zwar digital stattfindet, aber die Akteur*innen noch abbildet. Auf der zweiten Ebene interagieren nur die digitalen Daten der Lernenden und der Lehrenden, d. h. es gibt keine physische Interaktion im realen Leben, sondern lediglich digitale Kommunikation zum Beispiel über Chats. Schließlich kann in einigen Fällen eine dritte Ebene auftreten, auf der sogar physische Konfigurationen (Maschinen/Roboter) mit dem Lernenden oder Lehrer*innen untereinander interagieren. In jedem Fall sind die Daten die Quelle der Interaktion, unabhängig davon, ob es sich um einen Menschen oder einen Roboter als computerbasierte Maschine handelt.
Art der*s digitalen Schüler*in |
Beschreibung |
Art der*s digitalen Lehrer*in |
Beschreibung |
Repräsentation |
Online Student I |
Reale*r Student*in synchron online |
Online-Lehrer*in (synchron) |
Reale*r Lehrer*in aber online |
Physische Person |
Online Student II |
Mediale Darstellung der Schüler*innen, mit denen interagiert werden soll (eventuell asynchron) |
Mediale Darstellung der Lehrer*innen, mit denen interagiert werden soll (eventuell asynchron) |
peer 2 peer |
mediated person |
Virtuelle Student*in |
Daten des*r Schüler*in, mit denen interagiert werden soll |
Virtuelle Lehrer*in |
Avatar oder Künstliche Intelligenz |
Darstellung der Person |
Lernroboter |
Lernmaschine |
Lehrroboter |
Lehrende Maschine |
Physische Maschine |
Angesichts dieser vielfältigen Wechselbeziehung zwischen Menschen und Computern sind eine Reihe von psychologischen, gesellschaftlichen und ethischen Aspekten von großer Bedeutung. Die Kyberethik ist die philosophische Untersuchung der Ethik im Zusammenhang mit Computern, die das Benutzer*innenverhalten und das, wozu Computer programmiert sind, sowie die Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft umfasst (Tavani et al., 2013; Marquet & Köhler, 2017). Jede didaktische Modellierung von digital verarbeiteter Wahrnehmung, Konstruktion und Bewertung in der Bildung muss ethische Perspektiven berücksichtigen, insbesondere wenn es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) geht. In jedem bildungstechnischen System wird der Ethik heutzutage eine hohe Relevanz beigemessen. Diese Orientierung kann sich auf ethische, anthropologische, rechtliche (in geringerem Maße) und soziale Aspekte sozio-technischer Arrangements konzentrieren. Folglich sollten Pädagog*innen über eine umfassende (medien-)didaktische Kompetenz verfügen. Idealerweise sollte jede Bildungserwartung auf einem (medien-) didaktischen Modell aufgebaut sein. Darüber hinaus empfiehlt sich eine generische Orientierung als Schlüsselansatz für eine ethisch, rechtlich und sozial sensible und verantwortungsvolle Entwicklung komplexer IT-Umgebungen. Zum Beispiel kann man die Prinzipien des PAPA-Modells (Ng, 2020) anwenden, da es die Interessen von Lehrer*innen und anderen Pädagog*innen in hervorragender Weise erfüllt:
- Privatsphäre: Das Recht, bestimmte Informationen über eine Person zu behalten oder freizugeben.
- Korrektheit: Hier geht es um die Integrität und Wahrheit einer Information.
- Eigentum: Diese Dimension umfasst das Eigentum an einer Information sowie die Eigentumsrechte.
- Zugänglichkeit: Gemeint ist die Möglichkeit für eine Person oder ein Unternehmen, Informationen zu erhalten.
Das PAPA-Modell wurde für Jugendliche modifiziert, um ihren Bedürfnissen im Bereich der Cyberbildung gerecht zu werden.
Im Alter von 10-19 Jahren versucht diese Altersgruppe, ihre eigene Identität zu finden. Sie werden mit riskantem Verhalten, unter anderem auch in der Online-Welt in Verbindung gebracht. Um sie vor Schaden zu bewahren, brauchen sie Cyberethik-Erziehung.
Technisch gesehen kann eine solche Reflexion in einem beliebigen digitalen Werkzeug zusammengefasst werden, das für Lehrende und Lernende leicht zugänglich ist. Dies kann jede Richtung einer multimedialen, interaktiven Webanwendung einschließen, wobei das Mediendesign und die mediale Umsetzung aus der (medien-)didaktischen Modellierung abgeleitet werden sollten (Köhler, 2021). Anschließend können Optionen für die mediendidaktische Rahmung entwickelt werden, die sich zum einen an aktuellen Trends der digitalen Didaktik und zum anderen an der Bedeutung des jeweiligen Faches für das digitale Lernen orientieren.
Um ein Anwendungsbeispiel für einen cyberethischen Ansatz zu haben, kann ein empirisches Beispiel verwendet werden. Ein solches wurde z.B. vom Projekt Complex Ethics entwickelt, das ein einfach zu bedienendes Tool bereitstellt. Mit diesem Tool können beispielsweise ethische Fragen im Zusammenhang mit KI modelliert und in ihrer Bedeutung für den Aufbau, die Wahrnehmung und die Bewertung der Bildungspraxis in digitalbasierten Welten verstanden werden.
Literatur:
Köhler, T. (2021). Didactic modeling of a digital instrument for the perception, construction and evaluation of ethical perspectives in AI systems. 8th International Conference on Learning Technologies and Learning Environments.
Marquet, P. & Köhler, T. (2017). The empowerment of users: rethinking educational practice online. In F.M. Dobrick, J. Fischer & L. M. Hagen (Hrsg.), Research Ethics in the Digital Age. Ethics for the Social Sciences and Humanities in Times of Mediatization and Digitization (70-84). Berlin: Springer Verlag.
Ng, W. S. (2020). A self-assessment approach to Adolescents’ Cyberethics Education. Journal of Information Technology Education Research. S. 555-570.
Tavani, H. T. (2013). Cyberethics. In A.L. Runehov & Oviedo, L. (Hrsg.), Encyclopedia of Sciences and Religions (565-570) Dordrecht: Springer Netherlands.